Eine persönliche Betrachtung
(Rainer Biesinger)
»Für ein besseres Leben ist es nie zu spät: Stell dich deinen Dämonen!«
Wie stehe ich, Rainer Biesinger, heute persönlich zu Rauschdrogen jeglicher Art?
Aufgrund meiner ganz persönlichen Lebenserfahrungen neige ich eher zum Daumen nach unten als nach oben; nicht aus der Perspektive eines Moralapostels heraus, sondern aus meinen Erfahrungen als hochgradig abhängiger, fremdbestimmter Polytoxikomane, die mir im Alter von 31 Jahren beinahe den Verstand und das Leben geraubt hätten. Meine Suchtkarriere hatte bereits als 13-Jähriger begonnen. Ausgelassen habe ich dabei so gut wie nichts, was der Schwarzmarkt und die Pharmaindustrie zur damaligen Zeit kurz vor der Jahrtausendwende hergaben. Angefangen vom Dauerkonsum von Nikotin, Marihuana, Haschisch und Alkohol wären da zu nennen: LSD, Amphetamine, psychedelische Pilze, Kokain, Meskalin, Opium, Heroin, Benzodiazepin, Codein, Ephedrin, Captagon, Remidazin, Tramal, Valeron und diverse weitere Gifte aus der chemischen Fabrikation der Pharmaindustrie. Mein heutiger Geist assoziiert mit den unzähligen Rauschdrogen ein Gefühl der Leere, des Ausgelaugtseins, des Größenwahns, des Runterkommens, bereits viel zu früh gestorbene Kollegen und Freunde, die infolge des Missbrauchs teilweise jämmerlich verreckt, verblödet, verwahrlost, lebensunfähig geworden oder lebenslang in Knast und Psychiatrie eingesperrt sind usw. – übelste Gedankenmassaker, Getriebenheit und unstillbaren Wahnsinn, um nur einiges zu benennen.
Irgendwann, als nichts mehr ging, hatte ich die Nase gestrichen voll und habe mich für das Leben entschieden. Wenn du dich aufgrund purer Neugierde und unkontrollierten Leichtsinns gepaart mit unmenschlichem Größenwahn und absoluter Verantwortungslosigkeit so weit von dir selbst entfernt hast, du deinen persönlichen Tiefpunkt erreicht hast, du in deiner eigenen, selbst geschaffenen Hölle gefangen bist, dann kann es nur noch eines geben: „Friss oder stirb“. Mir ist durchaus klar, dass es viel einfacher ist, sich eine Line Koks zu ziehen oder eine Tüte zu rauchen als zehn Stunden lang zu meditieren oder auf einen Marathon zu trainieren. Aber das alles ist im Verhältnis dazu gar nicht so schlimm, wenn man bedenkt, dass es wesentlich lohnender ist; weil du selbst es kontrollierst, weil du an Klarheit gewinnst, statt immer dümmer zu werden, und vor allem, weil du deinem Körper und somit auch deinem Gehirn respektvoll begegnest, statt ihn mit Müll vollzupumpen. Wenn ich heute überhaupt etwas Positives an Rauschdrogen finden kann, dann ist es die Tatsache, überhaupt einmal erfahren zu haben, dass es diesen oder jenen Bewusstseinszustand gibt. Der Grund, warum Drogen für manche Menschen so befreiend sein können, ist der, dass sie sich in einem geistigen und gesellschaftlichen Gefängnis befinden (leider merken diese „Befreiten“ in der Regel nicht, dass das, was sie befreit, sehr schnell zu einem anderen Gefängnis werden kann). Und obwohl ich grundsätzlich von jedem Drogenkonsum abrate, stehe ich für eine Legalisierung „weicher“ Drogen aus rein psychologischen und pädagogischen Gründen ein.
Dinge, die verboten sind, werden erst dadurch interessant und wichtig gemacht. Es geht immer ein besonderer Reiz von Verbotenem aus. Der Kampf gegen die Drogen mitsamt all seinen extremen Ausprägungen wird weltweit vergebens geführt. Dabei bleiben Aufklärung und Ursachenforschung total auf der Strecke. Selbst Menschen, die einen wirklich verantwortungsvollen Umgang pflegen, werden kriminalisiert und Drogensüchtige stigmatisiert. Die Ursache der Sucht ist neurowissenschaftlich betrachtet neben dem dopaminergen mesokortikolimbischen System lediglich darin zu finden, dass Menschen eine Substanz oder eine Sache mit Glück und das Nichthaben dieser Sache mit Unglück verbinden. So einfach ist das. Und ich glaube, dass jeder Mensch (vielleicht mit Ausnahme einiger von der Zivilisation abgeschiedener Mönche in den Bergen von Tibet) nach irgendetwas süchtig ist. Einer der exzellentesten Sprüche, die ich dazu kenne, lautet: „Glück, das von etwas abhängig macht, ist nur eine andere Form von Leid.“ Du brauchst Mut, um dich aus deiner sehr oft fremdbestimmten Lethargie herauszureißen und dein Leben konsequent anzupacken. Egal, ob du nun ein Suchtthema hast, ob du es wahrhaben willst oder auch nicht. Denn für ein besseres Leben ist es nie zu spät.
Selbsteinsicht ist der erste Weg zur Besserung
Ich war ein Meister der Lügen. Ich habe mir die Welt schön geredet und habe selbst an das Lügenkonstrukt geglaubt, dass ich für meine Umgebung errichtet habe. Klar, es ist ja auch wesentlich einfacher und bequemer sich der Illusion hinzugeben, dass alles gar nicht so schlimm ist. Egal ob es um Alkohol, Drogen oder so scheinbar harm- Sucht ist ein Scheißspiel Eine persönliche Betrachtung lose Süchte wie Internet, Sport oder Diäten geht; – sicher ist dir schon mehr als einmal jemand begegnet, der dir sagte, dass er gar nicht süchtig sei. Schließlich könne er jeder Zeit damit aufhören. Das ist eine Lüge! Wenn er es könnte, würde er es packen und nicht immer wieder rückfällig werden. Anstatt sich einzugestehen, dass er so sein Leben vor die Wand setzt, verschanzt er sich lieber hinter permanenten Rechtfertigungen und Entschuldigungen. Schlussendlich kannst nur du selbst dich aus dem Schlamassel ziehen! Dazu musst du aber erst an den Punkt der Selbsteinsicht kommen, an dem du erkennst, dass du ganz schönen Bockmist gebaut hast. Voraussetzung für jede Veränderung ist ein ehrliches Anerkennen, ein bedingungsloses Eingeständnis des Fehlverhaltens und eine konsequente, kompromisslose Bankrotterklärung der bisherigen Lebensgeschichte. Dann ist die Zeit reif für die Revolution! Lass dich nicht mehr von deinen inneren Dämonen leiten! Sag ihnen den Kampf an und werde endlich Chef deines eigenen Lebens!