Ist die Drogenpolitik noch „up to date“?

Dieser Beitrag, stellt die durchaus provokante Frage, ob die derzeitige Drogenpolitik noch „up to date“ ist, bzw. in welchen Bereichen sie durch ihre restriktive Herangehensweise nicht völlig versagt hat. Wo liegen die Ursachen dieses Konsumverhaltens und wie ist es um einen legalisierten und aufgeklärten Umgang mit verschiedenen Substanzen bestimmt? Die Drogenprohibition hat sich seit ihrer Einführung in Deutschland nicht maßgeblich verändert. Abgesehen von Alkohol, Nikotin und Koffein sind die meisten der am häufigsten konsumierten psychoaktiven Substanzen für den Freizeitgebrauch verboten, was User häufig jedoch nicht vom Konsum abhält. Ein Zusammenhang zwischen den absoluten Drogenkonsumentenzahlen und einer etwaigen Abnahme dieser mithilfe Prohibitionspolitik ist umstritten. Allerdings gehören Rauschdrogen seit Menschengedenken zum Alltag. Ob zur Entspannung, zum Aufputschen zum Zwecke der Selbstmedikation oder zum Eintauchen in andere Gefühlswelten – Menschen konsumieren Substanzen, um Einfluss auf Sich und ihr Sein zu nehmen. Der Staat bringt Millionen –, wenn nicht Milliardenbeträge auf, um repressiv gegen illegale Drogen vorzugehen. Trotzdem scheint es so, als würde dem Drogenmarkt durch die Verbotspolitik kein Einhalt zu bieten sein. Es stellt sich vor diesem Hintergrund einerseits die Frage, ob Verbote ein geeignetes Mittel zur Eindämmung des Drogenkonsums sind. Andrerseits bleibt zu diskutieren und zu klären, ob ein echter Jugend- und Gesundheitsschutz im Sinne des Endkonsumierenden in einem so fortschrittlichen OECD-Staat, wie Deutschland nicht anders aussehen sollte bzw. müsste. Gesellschaftlich gibt es einige Gründe, die es rechtfertigen würden, Drogen zu verbieten. Zum Beispiel der Schutz vor nicht kalkulierbaren Gefahren für den Staat oder das Individuum. Aber ist es möglich, dass die bisherige Herangehensweise die Probleme vielleicht mit befeuert und verschlimmert hat? Und inwieweit sind Verbote überhaupt notwendig? Ob bei einer offeneren und klareren Aufklärung mehr Menschen zu Drogen greifen würden, bleibt politisch zu diskutieren. Der Handlungsbedarf seitens des Staats, Institutionen und der User selbst, liegt offen auf der Hand.

Neue Psychoaktive Substanzen – „Legal Highs“ In den letzten Jahren sind sehr viele neue oder scheinbar neue Drogen auf den Markt gelangt, die in Wirkungsweise und Struktur bekannten illegalen Drogen nachempfunden sind und häufig als sogenannte „Legal Highs“ auf legalem beziehungsweise halb legalem Wege vermarktet worden sind. Diese neuen psychoaktiven Substanzen, kurz NPS, sind deutlich weniger erforscht als die bekannteren Moleküle, denen sie nachempfunden sind, und stellen daher für das Individuum im Einzelnen und unserer Gesellschaft im Allgemeinen ein nicht kalkulierbares Risiko dar. Ähnlich wie beim Doping im Hochleistungssport liefern sich auf diese Art die Labore und Gesetzgeber ein Kopf-an- Kopf-Rennen, bei dem politische Entscheidungsprozesse aufgrund ihrer Langwierigkeit entweder gar nicht oder erst viel zu spät entgegenwirken.

Im Zusammenhang mit synthetischen Cannabinoiden erschienen in den letzten Jahren immer häufiger Medienberichte von substanzinduzierten Todesfällen oder auch bleibenden psychischen Erkrankungen, bis der Druck auf die Politik so stark wurde, dass zunächst Einzelne, später dann ganze Stoffgruppen verboten worden sind. Trotzdem gibt es bis heute beispielsweise synthetische dem THC nachempfundene Stoffe, die erschreckend leicht erworben werden können – zum Beispiel online. So gibt es nachweislich Menschen, die diese Drogen aus reiner Neugier zu sich nehmen und dennoch liegt es nahe, dass gerade Menschen, die durch spezielle Umstände wie Beruf, MPU, dem Fehlen von Kontakten zur Drogenbeschaffung oder Versorgungsengpässen von Cannabis und anderen Drogen auf synthetische Ersatzstoffe zurückgreifen. Diese Personengruppen werden in gängigen Drogentests häufig nicht ermittelt, sodass Einige sich zwar sicher vor dem Gesetz fühlen können, jedoch durch den Konsum Langzeitschäden in Kauf nehmen – ob nun wissentlich oder nicht. Die Frage stellt sich, ob bei einem reguliertem Cannabismarkt die „Legal Highs“, welche Cannabis ersetzen sollen, überhaupt jemals derart populär geworden wären. Verglichen mit Cannabis sind die Gefahren dieser Stoffe ungleich höher. Tödliche Cannabis-Überdosen sind mit Blüten, Harz oder Extrakten aus der Hanfpflanze kaum zu erreichen. Bis heute gibt es keinen eindeutigen Fall einer tödlichen Cannabis- Überdosis. Gleiches gilt auch für andere Stoffe. Ist es vor dem Hintergrund der Schutzpflicht des Staates gegenüber dem Bürger demnach vertretbar, dass sich Menschen gänzlich unerforschte Stoffe zuführen, obwohl es gut erforschte Alternativen gibt? Während man sich gesellschaftlich häufig nur mit den unmittelbaren gesundheitlichen Gefahren von Drogen auseinandersetzen muss, wird der Forschung heute immer klarer, dass Drogen auch ein immenses Potenzial haben, psychischen Krankheiten und Leiden entgegenzuwirken oder sie sogar zu heilen. MDMA – auch bekannt als Ecstasy – hilft nachweislich Menschen mit posttraumatischer Belastungsstörung, ihre Krankheit zu bewältigen oder zumindest den Umgang damit zu erleichtern.

LSD und Psylocibin können Schwerkranken die Angst vor dem nahenden Tod nehmen und wirken bei Clusterkopfschmerz- Patienten scheinbar als Wunder. Der Einsatz dieser Drogen ist heutzutage jedoch trotz guter Studienlage schwierig bis unmöglich. Dies ließe sich durch die repressive Gesetzeslage oder das Stigma, das sie mitbringen, erklären. Das Schadenspotential von Drogen ist sehr individuell, jede Droge bringt eigene Eigenschaften mit sich. Selbiges gilt für das Suchtpotential. Während einige Drogen sehr intensive Abhängigkeiten zur Folge haben können, sind manche Drogen gar frei von echtem Abhängigkeitspotential. Heute ist bekannt, dass das Schadens- und Abhängigkeitspotential von Alkohol beispielsweise deutlich über jenem von Cannabis gar über dem von MDMA liegt. Das Verbot lässt sich also anhand rational begründeter Gefahrenpotenziale nicht erklären. Einige Drogen werden sogar erst durch den Bezug aus zweifelhaften Quellen wirklich gefährlich für den Körper. Die Substanzen auf dem Schwarzmarkt unterliegen keinen Verbraucherschutzrichtlinien und insbesondere von Verunreinigungen und Streckmitteln gehen immense Gefahren aus.

Heroin ist trotz seiner stark suchterzeugenden Wirkung in seiner Reinform bei richtiger Dosierung für den Körper vergleichsweise ungefährlich. Die größte Gefahr entsteht durch die Beimengung von Streckmitteln oder anderen Opioiden wie Fentanyl und der dadurch resultierenden Unberechenbarkeit der Potenz des Produktes, das der Endkonsument erhält. MDMA in Kristallform oder gepressten Tabletten ist auf einem Schwarzmarkt ebenso deutlich gefährlicher. Die Ungewissheit über die im Labor erzeugte Konzentration der Produkte und die damit verbundene schwierige Dosierung für den Endkonsumenten, ließe sich durch eine staatlich geprüfte Abgabe regulieren. Hinzu kommt, dass bei der Beschaffung häufig billigere und in der verspürten Wirkung scheinbar ähnliche Drogen als MDMA in Kristallform verkauft werden, die häufig ein tendenziell höheres Gefahrenpotenzial bergen und man sich als Verbraucher bei Pillen trotz eines positiven Trends nie absolut sicher sein kann, welche Inhaltsstoffe vorhanden sind.

Fazit
Drug-checking als Kompromiss und Zwischenschritt! Damit die potentiellen Konsumenten bei aller Verfügbarkeit und offensichtlich gescheiterter Verbotspolitik wenigstens reine Produkte konsumieren, wären folgende Empfehlungen sinnvoll:

  • Die Debatte konsequent am Rollen halten, so dass das Thema mitsamt seiner Gefahren und Möglichkeiten vor allem sachlich weiter im Alltagsbewusstsein der Menschen penetriert wird, damit ein tiefgehender, ehrlicher, offener, faktenbasierter und konstruktiver Diskurs gepflegt werden kann.
  • In politischen Gremien sollte neu definiert werden, was echter Verbraucher-, Jugend-, Gesundheitsschutz beinhaltet.
  • Prävention bzw. regelmäßige Aufklärung z.B. an Schulen und in Betrieben ist entscheidend, statt Prohibition bzw. Kriminalisierung, Stigmatisierung oder Existenzschädigung.
  • Finanzielle Förderungsmaßnahmen zum Erforschen von NPS sind dringend geboten, denn mit intensiverer Forschung, erfolgt auch eine effizientere Aufklärung.
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