Haben wir eine Gesellschaft auf Droge?
Häufig wird das Thema Rauschdrogenkonsum im öffentlichen Diskurs tabuisiert, mystifiziert, beschwichtigt, kleingeredet. Fürs Alibi wird exemplarisch mit dem Erscheinen des jährlichen Suchtberichtes regelmäßig eine neue, altbekannte Sau durchs Dorf getrieben. Zwei Tage Futter für die allgemeinen Medien und das war’s dann auch schon.
Zugegeben …, dass wir als Gesellschaft massive Probleme mit und durch Rauschdrogen haben, bringt in den seltensten Fällen Wählerstimmen und positive öffentliche Aufmerksamkeit. Wer gesteht sich schon gerne irgendwelche Schwächen oder gar politisches Versagen ein? Der Rauschdrogenkonsum ist ein unbequemes und ungeliebtes Thema, mit dem man sich tatsächlich nur in den seltensten Fällen wirklich beliebt macht, geschweige denn eines, mit dem man sich couragiert profilieren kann!
Angesichts der nach wie vor kurz-, mittel- und langfristig auftretenden Probleme, die wir gesamtgesamtgesellschaftlich mit und durch den unkontrollierten Rauschdrogenkonsum verursacht haben, stellt sich die durchaus erlaubte und provokative Frage, ob und inwieweit die derzeitige Drogenpolitik noch „up to date“ ist bzw. durch ihre in Deutschland mehr oder minder konsequent autoritäre Herangehensweise heutzutage generell völlig versagt hat – zumindest mit ihren offensichtlich nur halbherzigen Ansätzen. In unserer heutigen Gesellschaft gibt es Rausch- und Betäubungsmittel in riesengroßer Auswahl und offensichtlich unüberschaubarer, schier unbegrenzter Menge. Der Gebrauch von Alkohol, Nikotin, aber auch Medikamenten mit Suchtpotenzial ist für viele Menschen alltäglich geworden und die eintretenden Wirkungen sind sehr unterschiedlich. Bei sehr vielen Menschen bilden sich, auch schon bei einmaligem Konsum, mittel- und langfristig schwer selbstschädigende Konsummuster heraus, deren gesundheitliche und soziale Folgen sich in allen persönlichen Lebensbereichen zeigen. Inadäquates, leichtfertiges Konsumverhalten führt zu teils erheblichen Beeinträchtigungen der allgemeinen Lebensqualität. Sowohl für die betroffenen Menschen selbst als auch für deren persönliches Umfeld. Exemplarisch seien hier zunächst einmal Gewaltstraftaten, allgemeine Erkrankungen, individuelle, familiäre und soziale Schwierigkeiten, Kriminalität und Suchterkrankungen erwähnt, die im schlimmsten Fall tödlich verlaufen.
Eine Alkohol-, Medikamenten- oder auch Drogensucht gilt heute als behandlungsbedürftige Krankheit. 1968 hat das Bundessozialgericht dies erstmals für die „Trunksucht“ anerkannt, woraufhin die Rechtsprechung es später auch auf andere Suchtkrankheiten ausgeweitet hat. Inwieweit und in welchem Umfang dem Gesundheitswesen durch Missbrauch und Sucht massive Kosten in Milliardenhöhe entstehen und was genau tatsächlich für die Behandlung und Rehabilitation direkter und auch indirekter Heilungsprozesse und Folgeschädigungen für durch Rauschdrogenkonsum erkrankte Menschen ausgegeben wird, sollte hier einfach nur mal unkommentiert zur weiteren Diskussion in den Raum gestellt werden. Oder auch die Frage, wer dadurch Unsummen an Geld verdient?
Die Folgen des Suchtmittelkonsums haben darüber hinaus erhebliche Auswirkungen auf die Anzahl von Unfällen, die Gesundheitsindustrie und auch die generelle Entwicklung der Kriminalität. Auch hier werden gesamtwirtschaftlich gesehen massive Kosten verursacht, aber auch Einnahmen generiert. Die durchaus provokative Frage sei erlaubt, wie viele Menschen wohl arbeitslos wären, wenn wir keine Suchtprobleme mehr in der Gesellschaft hätten? Hier exemplarisch ganz speziell auf die Zigaretten- und Alkoholindustrie gemünzt: Staatsanwälte, Richter, Polizisten, Ärzte, Finanzämter, Kneipenbesitzer, Rettungsdienste, Kliniken, Betreuer, Knäste, … to be continued …!
Laut den in offiziellen Zahlen, hier als deutlich untertrieben zur Kenntnis genommen, gelten mindestens drei Prozent der Bevölkerung als alkoholkrank. Bezogen auf die berufstätige Bevölkerung sind es sogar fünf Prozent. Weitere, mindestens zehn Prozent gelten als erheblichst gefährdet. Eines steht außer Frage: Sofern es zu einer späteren Abhängigkeitssymptomatik oder Sucht kommt, verbirgt sich dahinter in der Regel meist ein längerer Prozess, der zunächst und fast immer mit dem sozial integrierten, unauffälligen Konsum legaler Rauschmittel begonnen hat.